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House of Arts

„Powerful, Beautiful, Colourful“

Die Ausstellung vereint sieben künstlerische Positionen aus Südafrika, Frankreich und Österreich. Die Arbeiten könnten nicht heterogener sein, doch allen Künstlern*innen gemeinsam ist ein Bekenntnis zur Malerei – und zu ihrer zeitgenössischen Relevanz. In gewisser Weise schließt „Powerful, Beautiful, Colourful“ auch an die vorherige Ausstellung „Over the Rainbow“ an, sind doch auch diesmal in vielen Werken die Vielfalt der Natur, Gesehenes, Stimmungen, Lichteinfälle, die Strukturen der Pflanzenwelt Motive, die im Fokus stehen.

Francesco Petrarca sah in der Landschaft etwas Kontemplatives. Seine Besteigung des Mont Ventoux im April 1336 gilt als erste überlieferte Bergtour aus reiner Neugierde und dem Wunsch folgend, eine andere Perspektive einzunehmen. Tief bewegt berichtete er darüber und schrieb seinem Freund Francesco Dionigi einen bemerkenswerten Brief. Die Bergwanderung verhieß für ihn innere Erkenntnisse und Bewusstseinserweiterung. In dieser Reflexion liegt vielleicht die besondere Bedeutung dieses Ereignisses. Doch was bedeuten heute Natur und Landschaft für uns? Eine einheitliche Definition ist schwierig, wird Landschaft doch von jeweils anderen Blickwinkeln aus gesehen, und bis heute spielen poetische und idyllische Bezüge dabei eine große Rolle. Unsere Vorstellung von schöner Landschaft hält sich hartnäckig und steht im Gegensatz zum tatsächlichen Vorkommen solcher Bilder. Nicht erst seit der Industrialisierung hat sich die Landschaft grundlegend verändert. Bereits frühere Epochen formten die Natur zur Kulturlandschaft, doch das Tempo, wie wir unsere Natur dezimieren, hat sich radikal erhöht. Philosophen wie François Jullien oder Timothy Morton plädieren daher für eine neue Sicht auf die Landschaft, in der keine Trennung zwischen Natur und Mensch stattfindet. Der Terminus „Landschaft“, so Jullien, würde in Europa seit seinem Aufkommen in der Mitte des 16. Jahrhunderts „[...] in einem seltsam anmutenden Immobilismus verharren“. Ist unser Naturbegriff also noch zeitgemäß, und wie begegnet man als Künstler*in der Tradition der Darstellung von Landschaft und Natur angesichts der wachsenden Brisanz dieses Themas? Sind Kunst und Natur Systeme für sich, und wie verhält es sich, wenn die Kunst sich thematisch auf die Natur bezieht, wenn diese selbst zum Motiv wird? Und was meinen wir tatsächlich, wenn wir von Natur, Landschaft oder gar Wildnis sprechen? Müssen wir die Natur tatsächlich bereits in einen Glassturz stellen, wie der französische Künstler Nicolas Marciano in seinen Bildern? Und muss man als Künstler*in heute stets die Fragilität der Landschaft beschreiben oder können die Natur, die Früchte und Pflanzen nicht auch als motivisches Gerüst dienen, als Ausgangspunkt malerischer Prozesse – um allein die Malerei, ihre Kraft und Farbwerte sowie die ihr immanenten Parameter, wie Licht und Raum, auf der Leinwand zu verhandeln?

Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll die Bandbreite der malerischen Möglichkeiten, dem Thema zu begegnen, sowie die unterschiedliche(n) künstlerische(n) Formensprache und Bildkonzeptionen. Und sie zeigt auch, dass traditionelle Themen, wie Stillleben und Landschaft, bis heute relevant sind. Wenngleich eine naturalistische Darstellung überwiegt, entwickeln die Künstler auf der Leinwand eine eigene Welt, die versucht, den Ursprüngen jeglicher Gestaltung auf den Grund zu gehen und die Sujets und Motive auf eine andere, vielleicht ungewohnte, Ebene zu bringen. Die Malerei vermag im besonderen Maße über das Beschreibbare hinauszugehen und sowohl inhaltliche wie formale Konzepte in den Fokus zu stellen. Dabei entwickeln Farbschichtungen ein Erlebnis räumlicher Tiefe und übersetzen die Wahrnehmung der Wirklichkeit in ein Zusammenspiel von figurativen und abstrakten Bildelementen. Die fluiden Eigenschaften der Farbe, ihre Materialität und Tonwerte verbinden sich zu einprägsamen Bildkompositionen. Die Bilder zeigen die Vielfältigkeit des Mediums: von der Beschäftigung mit den formalen Möglichkeiten und Techniken der Malerei per se, dem Ausloten von Farb- und Tonigkeit der Komposition, über den Aufbau der Komposition aus vielen Farbschichten, aus dem sich die Motive aus dem Bildgrund heraus entwickeln, bis hin zur Setzung thematischer Schwerpunkte. Eindrucksvolle Landschaften, schroffe Konturen und starke Farben kontrastieren mit Bildern, mit einer poetisch, lyrischen Grundstimmung, und dynamische Arbeitsprozesse treffen auf präzisen linearen Pinselstrich. Durch das Verwischen und das Arbeiten mit lasierender Farbe entstehen neue Farbtöne. Farbe und Licht besetzen mit großer Dynamik die Leinwand, die Zügigkeit der Geste lässt Motive zuweilen fragmentarisch auf der Leinwand stehen. Die Linie wird zum Gedankensprung, der sich während des Malprozesses vollzieht, sich zuweilen verdichtet oder im Bildgrund verläuft. Solcherart wird die Malerei zu einem Beziehungsgeflecht von Linie, Farbe und Form, zu einem Spiel zwischen Abstraktion und Naturalismus, so als wenn es die Möglichkeit für Kompromisse gar nicht gäbe.

Die Malerei steht dabei stets im Spannungsfeld, die politischen und gesellschaftlichen Sujets der Gegenwart aufzugreifen oder die malerische Selbstreferenzialität in den Vordergrund zu stellen. Die präsentierten Werke zeigen, dass die Künstler*innen vielfach die Herausforderung annehmen, dieses Spannungsfeld auszuloten. Sie schaffen Bilder ganz im Sinne des „offenen Kunstwerks“ von Umberto Eco. Nach Eco ist das offene Kunstwerk geprägt durch die Möglichkeit, ständig neue Beziehungen im Bild zu entdecken. Das Bild ist daher offen für unendlich viele Lesarten durch die Rezipienten*innen, die stets geprägt sind durch individuelle Erfahrungen und Erlebnisse. Sie laden den Betrachter auf eine Reise durch verschiedenste Sinnebenen ein und fordern uns geradezu auf, einen festen Standpunkt zu verlassen. Auch weil dadurch die verschiedenen Ebenen des Bildes in Schwingung geraten und sich im Wechselspiel der Farben einmal mehr oder weniger in den Vordergrund spielen. „Letztlich ist in der Form alles“, meint der österreichische Maler Jürgen Messensee. Darin sieht er auch die Qualität der Kunst, und der Malerei im Speziellen. Auch wenn sie vor einem Zeithorizont entsteht, so tritt sie aus diesem Kontext heraus und reicht immer über ihre eigentliche Gegenwart hinaus. Die Kunst, und die Malerei im Speziellen, so der Künstler, „ist eine Denkmethode für sich. Das ist fantastisch und erlaubt uns in einer Sprache zu agieren, die über dem Raum und der Zeit steht und uns überhaupt erst ermöglicht, die Welt zu verstehen und über sie zu sprechen.“ Oder, wie es Umberto Eco formulierte: „Ein offenes Kunstwerk stellt sich der Aufgabe, uns ein Bild von der Diskontinuität zu geben: es erzählt sie nicht, sondern ist sie. Es vermittelt zwischen der Wissenschaft und der lebendigen Materie unserer Sinnlichkeit und erscheint so als eine Art von transzendentalem Schema, das es uns ermöglicht, neue Aspekte der Welt zu erfassen.“

Bilder mache ich am Tage, in der Nacht kommen mir Gedanken über das Leben und die Welt

Max Weiler, 1980

Zu sehen ab:

07. August 2021 bei freiem Eintritt.

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